Weihnachtsgeschichte „Hope“

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Guten Abend, ihr Adventskerzen, 

hier kommt, nachdem ich endlich herausgefunden habe, wie ich mit dem Handy bloggen kann, die neue Weihnachtsgeschichte, die im Frühjahr auch im neuen Kurzgeschichten-Büchlein im MASOU-Verlag veröffentlicht werden wird. 
Sie entstand durch die Vereinigung von zwei wahren Begebenheiten zweier Freunde~~~ <3  Lasst sie zu allen Menschen weiterfliegen, denen sie helfen könnte~~~ <3 ღ ღ ღ Hope Am Heiligen Abend vor genau 15 Jahren soff sich mein Vater aus meinem Leben. Nach dem zehnten Bier schlug er meinem damals 18-jährigen Bruder mit der Faust voll ins Gesicht und brach ihm das Nasenbein, weil er es gewagt hatte zu sagen, dass er doch bitte keins mehr trinken soll.  Ich saß mit meinen 20 Jahren daneben und konnte nur noch weinen. Dann fuhr ich meinen Bruder ins Krankenhaus. Wir haben seitdem kein einziges Wort mehr mit unserem Vater geredet. Er war für uns gestorben. Und Weihnachten hatte seinen Zauber verloren.   Vor einem Jahr erfuhren wir, dass er einen Gehirntumor hatte, der nicht operiert werden konnte und der schnell wuchs.  Mein Bruder wohnte mittlerweile in Hamburg, aber er sagte sofort zu, als ich ihn fragte, ob wir gemeinsam zu ihm fahren sollen. Doch wir hatten die Rechnung ohne Vater gemacht. Mutter sagte mir mit gebrochener Stimme am Telefon, dass er keinen Besuch ins Haus lassen würde.   Ein halbes Jahr später kam meine Tochter Emma zur Welt. Ihr Vater hatte uns zwei Wochen vor der Geburt verlassen, weil ihm „die Verantwortung zu groß“ war. Irgendwie geriet ich immer an die größten Löschblätter ...  Trotz allem betete ich jeden Tag, dass sie ihren Opa wenigstens noch einmal sehen dürfte, bevor er starb. Es war mir sehr wichtig, aber ich verstand nicht, warum das so war, weil ich ihn ja eigentlich hasste und verachtete. Doch alle „Anfragen“ von meiner Seite, ob wir ihn besuchen dürften, wurden gnadenlos abgelehnt.   Im Herbst ging ich ins Tierheim und holte mir eine wunderschöne, aber sehr scheue Golden Retriever-Dame, die von ihrem Besitzer im Zwinger gehalten und geschlagen worden war. Ich nannte sie Hope, weil ihre Augen trotz ihres Schicksals ein hoffnungsvolles Leuchten hatten. Sie ließ sich nie von mir streicheln und hielt immer mindestens einen Meter Sicherheitsabstand, aber ich hatte in ihren Augen sofort gesehen, dass sie ein herzensguter Hund war, was sich dann auch bestätigte.  Emma liebte Hope, aber auch sie durfte sie nicht anfassen. Dafür lachte sie sie immer aus ihren wunderschönen Äuglein an, wenn sie in ihrer Nähe war.    Am ersten Advent machte ich mit Emma einen Besuch bei meiner Freundin Ruth. Auf der Autobahn fuhr ein Kleinbus vor mir, auf dessen Heckscheibe die Worte „Vergib ihm“ standen. Mir schossen die Tränen in die Augen und ich musste am nächsten Parkplatz anhalten. War es das? Musste ich meinem Vater erst vergeben, bevor er seine Enkelin im Arm halten würde? Nein, das konnte ich nicht.   Auf der Straße vor Ruths Wohnung hatten Kinder mit Straßenkreide wahre Kunstwerke gemalt. Vögel und Schmetterlinge flogen über den grauen Asphalt, und Autos und Motorräder fuhren über weiße Wolken.  Ich setzte gerade einen Fuß auf den Gehweg, als ich vor mir in Schönschrift ein mit lila Kreide gemaltes Wort sah: „Vergebung“.  Ich war sprachlos. Welches Kind schrieb denn bitte „Vergebung“ auf die Straße? Wieder musste ich weinen, und eine Träne fiel auf Emmas Wange, was sie mit einem lauten Kichern quittierte.    Bei Ruth trank ich vier Tassen Kaffee, um runter zu kommen, aber das machte mich natürlich nur noch hibbeliger. Mein Puls war am oberen Limit. Als auf der Rückfahrt dann noch Paul Simon’s „Can I forgive him?“ im Radio lief, war es um mich geschehen. Ich beschloss, am Heiligen Abend mit Emma zu meinen Eltern zu fahren.   Ich zitterte am ganzen Körper, als ich am 24. mit meinem Baby im Tragetuch vor der Tür meines Elternhauses stand. Vorsichtig klopfte ich an. Die Klingel war mir zu laut. Ich wollte Vater nicht wecken, falls er schlafen sollte.   Nach ein paar Sekunden ging die Tür auf und meine über alle Maßen staunende Mutter stand vor mir. Auch sie hatte ihre Enkelin noch nie gesehen. Ich war ihr vor drei Jahren das letzte Mal in der Stadt begegnet.  Sie schlug die Hände vor ihr alt aussehendes Gesicht und weinte hemmungslos. Ich umarmte sie. Nichts konnte sie beruhigen, und so standen wir minutenlang heulend in der offenen Tür, mit Emma zwischen uns, die Mutter immer wieder anschaute und vorsichtig über ihr kleines Köpfchen streichelte.   Sie führte mich ins Schlafzimmer. Dort hatte sie für meinen Vater ein Krankenbett hergerichtet, auf dem er lag und schlief. Sie berührte seine linke Wange und sagte leise: „Liebling, du hast Besuch.“ Er öffnete die Augen und statt erschrocken loszubrüllen, lächelte er uns sanft an: „Ich habe gewusst, dass ihr kommt“, flüsterte er. „Schatz, lässt du mich bitte eine Weile mit meiner Tochter und meiner Enkelin allein?“ Mutter ging hinaus und mein Vater nahm meine Hände in seine, während er mit feuchten Augen Emma anstrahlte. Mein Vater war ein anderer Mensch geworden. Nichts war mehr übrig von dem Tyrannen, der er früher gewesen war, das spürte ich sofort. Seine Augen waren sanft geworden. In dem Moment, als er meine Hände nahm, hatte ich ihm verziehen. Ich konnte ihm sofort und ohne zu überlegen alles vergeben, was er mir angetan hatte, als ich noch jung war. Er erzählte mir stundenlang von all den Dingen, die er heute anders sah als früher, als er noch „böse“ war, wie er es ausdrückte. "Das Leben ist ein Geschenk, das wir nicht mit Gier und Hass verschwenden dürfen." Diesen Satz werde ich nie vergessen. So etwas aus dem Mund meines Vaters zu hören, war für mich unfassbar.    Wir verbrachten den Heiligen Abend im Schlafzimmer, während Emma in meiner alten Wiege schlief, die meine Eltern tatsächlich behalten hatten. Es war das schönste Weihnachten, das ich je erleben durfte.   Als wir am nächsten Morgen nach Hause fuhren, rief meine Mutter an. Sie sagte eine Minute lang gar nichts, dann: „Er ist endlich eingeschlafen. Ich glaube er hat nur noch auf euch beide gewartet. Er liegt in seinem Bett und lächelt.“   Als wir daheim waren, öffnete ich schluchzend das Geschenk, das Vater am Heiligen Abend unter seinem Bett hervorgeholt hatte. Er hatte gesagt, ich solle es erst aufmachen, wenn ich daheim sei.   Es enthielt ein Sparbuch, auf das mein Vater jeden Monat 2000 € einbezahlt hatte. Auf dem Deckblatt stand in seiner schönen Handschrift: „Für meinen Engel“. Das zweite „n“ hatte er durchgestrichen. Jetzt stand da: „Für meine Engel“.   Auf eine Weihnachtskarte hatte er geschrieben:  „Frohe Weihnachten, meine wundervolle Tochter. Bitte nimm das Geld an. Es soll keine "Entschädigung" sein für meine Verfehlungen, sondern ein Dankeschön dafür, dass ich Dein Vater sein durfte, auch wenn ich es bei Gott nicht gut gemacht habe.  Ich liebe Dich und werde bald von oben auf Dich und Emma aufpassen.  Ich umarme Dich, Dein Vater“   Am Abend lag ich mit Emma im Bett. Ich hatte sie gerade gestillt und sie war zufrieden neben mir eingeschlafen. Ich fühlte mich trotz Emmas Gesellschaft total allein und dachte an all die verlorenen Jahre.  „Vater“, sagte ich ins Dämmerlicht meines Schlafzimmers, „bitte, wenn es dir gut geht und du wirklich auf uns aufpasst, dann gib mir jetzt ein Zeichen. Aber bitte eins, das ich auch erkenne.“   Als ich zu Emma rüberschaute, die langsam atmend neben mir lag, ging langsam die Tür auf. Hope streckte ihren hübschen Kopf herein und kam auf mich zu. Sie war noch kein einziges Mal im Schlafzimmer gewesen und ich fragte mich, was mit ihr los war. „Hope, was hast du denn? Ist etwas passiert?“, fragte ich besorgt.  Was sie dann tat, war das Unglaublichste, was ich je erlebt habe. Sie kroch ganz langsam ins Bett und lag nach einer Weile genau neben mir. Dann legte sie ihre Pfote vorsichtig auf mein Gesicht. Ihr Kopf war genau neben meinem, und sie schaute mir direkt in die Augen. Es war ziemlich duster, aber ich sah die Augen meines Vaters in ihren. Meine Tränen flossen ohne Unterbrechung und sickerten ins Kopfkissen.  Wir lagen mindestens eine Stunde so da, bevor sie wieder aufstand und in die Küche ging. Danach war sie zwar ein bisschen zutraulicher und weniger scheu, aber sie lässt sich bis heute noch nicht streicheln.   Ich bin mir ganz sicher, dass es mein Vater war, der ihr am Weihnachtsabend alle Scheu und Angst genommen hat, um mich trösten zu können. Seitdem glaube ich wieder an Gott, und ich weiß, dass mein Vater immer bei mir ist. Weihnachten ist für mich ein Fest der Liebe und der Vergebung geworden. Danke, Papa.  ღ ღ ღlithophanie-leuchtend




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