Schmetterlingsgeschichte: „Das Märchen vom Krokus“

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Heute gibt es mal ein kleines Märchen, das eigentlich gar keins ist… ♥

Das Foto stammt von der unglaublichen Jayne Gulbrand~~~ ♥

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Das Märchen vom Krokus

Es war einmal ein lieber Mann, der kam aus einem fremden Land zu uns und lebte ein schönes und gutes Leben.

Mit seiner Frau hatte er drei Töchter, die ihm – wie Schmetterlinge – jeden Tag Glück und Freude ins Herz flatterten. Er war Künstler, Musiker und Dichter, – und er verehrte die Blumen…

Eines Tages ging er zum Arzt, weil er starke Bauchschmerzen hatte. Der Arzt schickte ihn sofort ins Krankenhaus, wo sein Bauch geröntgt wurde. Er hatte Angst und wartete zitternd auf das Ergebnis. Ein junger Arzt kam zu ihm, hielt seine Hand, und sagte: „Sie müssen jetzt stark sein. Es ist ein Tumor in ihrer Blase, der schnellstmöglich operiert werden muss. Ich muss ihnen aber vorab sagen, dass die Chancen, dass ein solcher Tumor gutartig ist, nur bei 0,5 Prozent liegt.“

Er wurde still und dachte nur noch an seine Frau und seine Töchter. Seine Frau durfte nichts davon erfahren, dass es so schlimm war. Nun konnte nur noch ein Wunder helfen. Er begann zu beten…

Es vergingen nur wenige Tage bis zur Operation, und er verbrachte jede Minute mit seiner Familie. Er erzählte nur wenigen Freunden und Familienmitgliedern von der Operation, weil er den Anderen keine Angst machen wollte. Es reichte, wenn er selbst vor Angst fast starb…

Als er wieder aufwachte, saß eine alte Frau an seinem Bett und hielt seine Hand. Er dachte, er würde halluzinieren, weil die Frau seine Großmutter war, die schon vor vielen Jahren gestorben war. Er hörte noch, wie sie sagte: „Du wirst erblühen wie der Krokus im Frühjahr, mein Junge…“, dann glitt er wieder sanft hinüber in den Schlaf.

Viele Tage und Nächte verbrachte er in einem Dämmerzustand. Er kam sich vor wie in einem endlosen Traum. Manchmal war alles dunkel, und manchmal sah er sanftes Licht und Farben. Irgendwann hörte er ein leises Weinen an seinem Ohr. Er machte die Augen auf und sah seine Frau. Sie saß neben dem Bett und lächelte und weinte gleichzeitig. In ihrer Hand hatte sie ein Blatt Papier. Sie hielt es hoch und sagte nur ein Wort: „Gutartig.“

Er blickte zum Fenster und sah einen wunderschönen Krokus im Morgenlicht stehen. Seine Frau sagte schluchzend: „Der Chefarzt hat gesagt, eine alte Dame hätte ihn vor zwei Stunden da hingestellt.“

Er lächelte, als die ersten Tränen kamen.

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Gedicht: „Engel“

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pic by Laurence Destrade

 

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Engel

Manchmal kommen sie auf Erden
und gehen wieder, viel zu schnell
für uns, die wir im Dunkel bleiben,
die wir weinen, suchen, leiden,
doch ihre Liebe scheint so hell
und tief in uns’re Seelen,
dass wir im Kern für alle Zeiten
still und stark und wissend werden.

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Schmetterlingsgeschichte 12.04.2013

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Als ich heute von der Beerdigung meines Kameraden Walter aka „Opa“ nach Hause kam, lag da ein Brief von einem befreundeten Arzt. Im Umschlag war eine Kopie aus einem Buch von Bogislav von Selchow mit dem Titel „100 Tage aus meinem Leben“.
Er schrieb, die Geschichte hätte ihn so sehr an meine erinnert, dass er sie mir schicken musste. Sie hat mich umgehauen… ♥
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Hier die „Abschrift“:
„Der Falter
… Es war ein Montag, da begruben wir einen Traum, da erfuhren wir, daß gestern, am Sonntag, dem 9. August 1896, Otto Lilienthal, der Pommer, der Bezwinger der Luft, auf den Rhinower Bergen in Stölln bei Rathenow mit seinen Drachenflügeln abgestürzt sei. Heute war er seinen Verletzungen erlegen. Den Engeln, wenn sie vom Himmel herabschweben, hatte er es nachmachen, des großen Italieners Leonardo da Vinci Werk hatte er fortsetzen und vollenden wollen. Seit er vor zwei Jahren einen 15 Meter hohen Sandberg unweit Berlin errichtet, von dem aus ihm Gleitflüge bis 350 Meter gelangen, seit er mit seinem einer Libelle ähnlichen Fluggerät immer wieder über den märkischen Sand dahingeschwebt war, richteten sich unser aller Augen auf diesen unermüdlichen Mann, der die Luft zu erobern sich vorgenommen und der daneben doch noch die Zeit fand, irgendwo im Osten für seine Berliner ein billiges Theater zu erbauen, um auch den Ärmsten die klassischen deutschen Schauspiele zugänglich zu machen.
Lilienthal, der den Vogelflug hatte nachahmen wollen, war nicht mehr. Aber sollten wir mit ihm wirklich unsere Flugsehnsucht begraben? Die Zeitungen brachten lange Berichte. Eine wußte von der Trauerfeier etwas Seltsames zu berichten. Ich faßte es in Verse. Es war meine erste Veröffentlichung. Ich erhielt zwei Goldstücke. Außer Privatstunden war es mein erstes selbstverdientes Geld. Nein, unseren Traum wollten wir uns nicht begraben lassen. Jugend begräbt keine Träume, weil Jugend weiß, daß jedes Schloß erwuchs aus dem unbeirrbaren Glauben an ein Luftschloß.
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‚Unter der warmen Augustsonne fuhr der Leichenwagen langsam dem Friedhof zu. Zahlreich war das Gefolge der Trauernden, die in verhaltenem Gespräch hinter dem Sarge schritten, unübersehbar die Menge der Kränze, die dem mitten aus der Bahn Gerissenen Freundschaft und Liebe und Verehrung bezeugen wollten. Jetzt bogen die schwarz verhängten Pferde ein in die langen Gräberreihen. Mitten durch ungezählte Kreuze suchten sie ihren Weg zu dem ausgehobenen Grabe. Keine Wolke war an dem sommerlichen Himmel. Nichts regte sich. Wie Soldaten standen die Zypressen zu beiden Seiten des Weges. Nur das Knirschen der Räder unterbrach die feierliche Stille. Da geschah es.
Ein großer blau schillernder Falter kam herab, umflog ein paarmal die auf dem Sarge geschichteten Kränze, als suche er unter den Zeichen der Trauer und des Todes nach etwas Lebendigem. Ihren lieblichsten Boten hatte die Luft entsendet. Einen Augenblick ließ er sich nieder auf ein paar weißen Lilien, umkreiste dann langsam schwebend den Sarg seines toten Luftkameraden, als wolle er den innersten Kern dieses seltsamen Mannes erspähen, den sie hier zu Grabe geleiteten. Dann hob er sich, die ganze Sehnsucht Otto Lilienthals verkörpernd, in die Höhen, aus denen er gekommen. Nicht Erde zu Erde, nein, Luft zu Luft. Der große Tote war in seinem Element.‘“
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Und hier nochmal das Gedicht, das ich kurz vor der Beerdigung im Auto geschrieben und in ein Exemplar des ersten Bandes der Schmetterlingspoesien geschrieben hatte, das ich Walters Frau geschenkt habe. Dem aufmerksamen Leser werden ein paar Wörter auffallen, die „zufälligerweise“ sowohl im Gedicht als auch am Ende des Textes von Bogislav von Selchow vorkommen…:
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Für Opa
Wir geben dir heute das letzte Geleit,
doch dein Weg, er ist noch weit,
er führt dich weiter in dein Glück
und manchmal auch zu uns zurück,
als Gruß aus einer schönen Zeit,
als Bote lichter Ewigkeit.
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Die Beerdigung für mich sehr bewegend, weil es auch dort viele Zeichen gab, die sicher von Opa kamen… Zu Anfang war es bewölkt und ziemlich windstill, aber als der Sarg zum Grab geschoben wurde, kam die Sonne raus, und als alle am Grab standen, kam ein richtiger Sturm auf und Äste flogen herum. In dem Moment, als der Sarg heruntergelassen wurde, erschien ein kleiner Regenbogen am Himmel und ein majestätischer Roter Milan flog ganz tief und langsam direkt über das Grab hinweg…
Fly in peace~~~~~~~~~ ♥
Schmetterlingsgruß,
Bundy
Trauermantel-pic by Laurence Destrade~~~ ♥
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PS: Diesen Text habe ich gerade noch im Netz gefunden:
„Otto Lilienthal starb am 10. August 1896. Die Welt trauerte um ihn. Am Tag des Begräbnisses ereignete sich etwas Sonderbares. Sein Sohn Fritz erzählte: „Bei seiner Beerdigung, das war eigenartig, in der Leichenhalle, wo er aufgebahrt war, da flog ein Trauermantel, gerade über den Sarg hinweg … Also ein geflügeltes Tier, ein geflügeltes Wesen für einen geflügelten Menschen, kann man sagen.“
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