Gedichte anderer: Hermann Hesse – „Oft ist das Leben“

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pic by Laurence Destrade

 

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Oft ist das Leben

Oft ist das Leben lauter Licht
Und funkelt freudefarben
Und lacht und fragt nach denen nicht,
Die litten, die verdarben.
Doch immer ist mein Herz bei denen,
Die Leid verhehlen
Und sich am Abend voller Sehnen
Zu weinen in die Kammer stehlen.

So viele Menschen weiß ich,
Die irren leidbeklommen,
All ihre Seelen heiß ich
Mir Brüder und willkommen.
Gebückt auf nasse Hände
Weiß ich sie abends weinen,
Sie sehen dunkle Wände
Und keine Lichter scheinen.

Doch tragen sie verborgen,
Verirrt, und wissen’s nicht,
Durch Finsternis und Sorgen
Der Liebe süßes Licht.

Hermann Hesse (*2.7.1877, ღ9.8.1962)

 

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Gedichte anderer: Wolfgang O.G. Schulze aka „Petros“ – „Überall offene Türen“

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Wie schön es manchmal ist,
Einfach aufzuhören…
Absichtlich absichtslos zu sein
In alle Himmelsrichtungen.
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Überall offene Türen.
Der stille Augenblick,
Der leere Moment
Sind mir Trost.
°
Trauer und Freude
Werden zu
Eineiigen Zwillingen,
Liebe zum einzigen Gefühl.

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Link zum Gedicht auf Petros Blog

 

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Gedichte anderer: Hermann Hesse – „Der Schmetterling“

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pic by Roger Hatcliffe

 

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Der Schmetterling

Mir war ein Weh geschehen,
Und da ich durch die Felder ging,
Da sah ich einen Schmetterling,
Der war so weiß und dunkelrot,
Im blauen Winde wehen.

Oh du! In Kinderzeiten,
Da noch die Welt so morgenklar
Und noch so nah der Himmel war,
Da sah ich dich zum letztenmal
Die schönen Flügel breiten.

Du farbig weiches Wehen,
Das mir vom Paradiese kam,
Wie fremd muß ich und voller Scham
Vor deinem tiefen Gottesglanz
Mit spröden Augen stehen!

Feldeinwärts ward getrieben
Der weiß‘ und rote Schmetterling,
Und da ich träumend weiterging,
War mir vom Paradiese her
Ein stiller Glanz geblieben.

Hermann Hesse (*2.7.1877, ღ9.8.1962)

 

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Gedichte anderer: Gedicht meines Opas an seine Mutter und sein Mädel

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Dieses Gedicht schrieb mein Opa Gerhard Stotz am 15.02.1945 in der Kriegsgefangenschaft in Texas. Ich glaube ich hab nie ein Schöneres gelesen… <3

Falls jemand die Schrift besser lesen kann als ich und einen Fehler entdeckt, dann bitte ich um Korrekturvorschläge…

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Gewidmet meiner lieben Mutter und einem lieben Mädel zu Hause

Wenn alles brennt und wankt und stürzt und fällt
fühl ich das Ende im Gewirr der Welt.
Wenn ich am bröckelnden Abgrund schaudernd stand,
ergriff mich leise deine liebe Hand.
Wollt ich verzweifeln an der Fede Lauf,
ging mir dein Lächeln wie ein Himmel auf.
Lag ich von Menschen wund, zergrämt, zerwacht,
du schlugst um mich den Mantel deiner Nacht.
Mein Herz in jede Not und Qual verirrt,
still hat es stets dein Herz nach Haus geführt.

 

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Gedichte anderer: Rainer Maria Rilke – „Ich ließ meinen Engel lange nicht los“

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pic by Laurence Destrade

 

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Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, –
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt…

 

Rainer Maria Rilke (*4.12.1875, ღ29.12.1926)
 

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Gedichte anderer: Dietrich Bonhoeffer „Von guten Mächten“

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pic by Laurence Destrade

 

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Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar, –
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr;

 

noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das Du uns geschaffen hast.

 

Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.

 

Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll’n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.

 

Laß warm und hell die Kerzen heute flammen
die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!
wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

 

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

 

Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

 

Dietrich Bonhoeffer (*4.2.1906, ღ9.4.1945)

 

 

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