Abgefahrenes: „Vollwärmeschutz und Foto Woltaik“

biber

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Dieses Märchen entstand vor vielen Monden am Stammtisch einer Gaststätte mit einem Fischnamen in meiner alten Heimat“stadt“. Mein Rastafreund Malo Malo und ich schrieben uns alle Themen auf, die am Stammtisch diskutiert wurden und bastelten daraus ein Märchen, das jederzeit wirklich passieren könnte, denn es beruht ja auf wahren Begebenheiten… 8)

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~~~ Das Märchen vom Vollwärmeschutz und seiner Frau Foto Woltaik ~~~

Es war einmal ein Mann und eine Frau, und hätte man ihnen nicht angesehen, dass sie sehr glücklich waren, so hätte man meinen können, sie müssten sehr unglücklich sein. Sie sahen nämlich beide ziemlich scheiße aus. Vollwärmeschutz war ein etwas pummeliger Typ – sein Körper hatte die Form eines makrodiagonalen Domas, was man sich in etwa wie einen langgezogenen Würfel vorstellen kann. Sein Kopf war ebenfalls würfelförmig, und wegen einer angeborenen Spreizzunge konnte er nicht richtig reden. Foto Woltaik war zwar schlank und zierlich, hatte aber, wie die meisten schlank-zierlichen Frauen, keinerlei Brustansatz. Deshalb wirkte der für sie lebensnotwendige Sonnenenergie-Spiegel auf ihrem haarlosen Kopf etwas deplatziert. Die beiden hatten sich auf der Südwest-Messe in Villingen-Schwenningen kennengelernt, und waren dann nach Hartheim gezogen.

Vollwärmeschutz und Foto Woltaik hatten selten gesellschaftliche Verpflichtungen, und gingen meistens im Wald spazieren, der gleich hinter ihrem Passivhaus begann. Eines Tages, es war im Mond des fallenden Laubes, stolperte Foto Woltaik über eine Eichenwurzel und fiel in ein Gebüsch. Vollwärmeschutz half ihr auf, und entdeckte dabei eine Scherbe. Sie schien der Form nach von einer Glühbirne zu stammen. Er bückte sich, und fand weitere Scherben. Auf einer stand in mattem Grau geschrieben: „100 W“. Vollwärmeschutz fiel vor Schreck in dasselbe Gebüsch, in dem Minuten vorher schon seine Frau gelegen hatte. Er war empört. Hier in der Nähe musste es tatsächlich jemanden geben, der noch 100 W-Glühbirnen verwendete! Eine Farce! Wusste dieser Crétin denn nicht, dass 100 W-Glühbirnen seit Kurzem verboten waren? Die Scherben waren noch warm, deshalb wusste Vollwärmeschutz, dass es sich nicht um alte, vor Jahren achtlos weggeworfene Scherben handeln konnte.

Er spähte durch das Gebüsch und sah zu seinem großen Entsetzen ein ganzes Haus, auf dessen Dach Hunderte von Glühbirnen aufgeklebt waren. Anscheinend hatte der Bewohner des Hauses die Glühbirnen, nachdem ihre Glühfäden gerissen waren, einfach auf seinem Dach entsorgt. Unglaublich. Vollwärmeschutz sah sich die Glühbirnen aus der Nähe an. Es waren alles 100 W-Glühbirnen. Er klopfte empört an die Tür. Drinnen erklang ein fast nicht zu hörendes „Herein.“ Er öffnete die Tür und sah ein kleines Teelicht aus Alu auf dem Boden liegen. „Guten Tag“, sagte das Teelicht. „Darf ich euch einen Kaffee anbieten?“

Ein Teelicht bot ihm gerade einen Kaffee an. Vollwärmeschutz konnte es nicht glauben. Was war nur mit der Welt passiert, die er einst so geliebt hatte? Das Teelicht kam mit zwei Tassen Kaffee zurück, noch bevor Vollwärmeschutz oder Foto Woltaik „Ja“ gesagt hatten. Die Tassen waren zehn Mal so groß wie das Teelicht – deshalb hatte es zwei kleine Leiterwagen gebaut, die es mit seinem Docht, der immer noch funktionsfähig zu sein schien, ziehen konnte.

„Es tut mir leid, dass ich 100 W-Glühbirnen verwendet habe“, sagte das Teelicht kleinlaut, „ich werde mich bessern. Doppelschwör!“

Vollwärmeschutz und Foto Woltaik verließen diesen trostlosen Ort und gingen wieder nach draußen. Hinter dem Gebüsch hörten sie ein Knurren. Im nächsten Moment sprang ein exothermes Monster auf den Pfad und versuchte, sie auszukühlen. Sie waren beide zu überrascht, um auf den Angriff reagieren zu können. Wehrlos ergaben sie sich in ihr Schicksal. Doch ganz plötzlich, wie in einem schlechten Märchen, öffnete sich ein Wolkenloch, und die Sonne beschien die unwirkliche Szenerie. Das exotherme Monster schrie: „ICH BIN LORD SALZ, DER KÖNIG DES WALDES!“ Er war siegessicher, doch er hatte nicht mit Foto Woltaik gerechnet. Sie war von der Sonne total voltigiert worden, und schlug Lord Salz eine Brezel ins Gesicht. „Hier, du Schurke, nimm DAS! Auf den Brezeln ist sowieso immer zu viel Salz! Ich hasse es, das immer abpopeln zu müssen, und nachher liegt es auf der Fußmatte und auf dem Sitz!!“

Lord Salz war leicht pasteurisiert, aber noch nicht am Ende. Just in dem Moment, wo er zum Gegenschlag ausholen wollte, betrat ein blonder Jüngling die Szene. „Ich bin Prinz Aicher, und ich werde dich jetzt töten, Lord Salz!“ Der Retter in der Not war anscheinend endotherm, denn er brachte den Frühtau zum kochen. Lord Salz implodierte in einer exophilen Reaktion, und auch das Haus mit den 100 W-Glühbirnen wurde von dem höllischen Mahlstrom eingesaugt. Man hörte das verzweifelte Schreien des Teelichts noch minutenlang.

Vollwärmeschutz und Foto Woltaik bedankten sich bei Prinz Aicher für seine spontane Hilfe, und machten sich auf den Weg zu ihrem Haus. Bevor sie losmarschieren konnten, nahm Prinz Aicher Vollwärmeschutz kurz beiseite und flüsterte ihm ins Ohr: „Hüte dich vor den Weibern, die machen nur Probleme!“ Vollwärmeschutz war perplex. „Was willst du mir damit sagen?“ Doch es kam keine Antwort. Prinz Aicher war nicht mehr da.

Als sie wieder zu Hause waren, begrüßten Vollwärmeschutz und Foto Woltaik wie immer zuerst ihre Familienmitglieder. Die Verwandten von Vollwärmeschutz lagen alle unter einer Plastikplane neben dem Misthaufen, weil in der Ausschreibung nicht explizit drin gestanden hatte, dass die Anbringung an den Außenwänden impliziert ist. „Hallo Leute“, rief Vollwärmeschutz in Richtung der Plastikplane. „Hallo Bruder“, ertönte es dumpf. Die Familie von Foto Woltaik war von der Baufirma fälschlicherweise auf der nach Norden zeigenden Dachhälfte angebracht worden. „Hallo Leute“, rief Foto Woltaik, doch es kam keine Antwort. Ihre Familie war etwas schwach, weil sich zusätzlich zur falschen Ausrichtung noch riesige Trauerweiden über ihren Angehörigen ausbreiteten, und so keinerlei Sonnenlicht zu ihnen durchscheinen konnte.

„HALLO VOLLWÄRMESCHUTZ!“, erklang es urplötzlich hinter den beiden Verzweifelten. Es waren die Kumpels von Vollwärmeschutz, alte Freunde aus der Schulzeit. Sie waren allesamt Dachdecker, und sie hatten beschlossen, das Dach umzudecken, während Vollwärmeschutz und Foto Woltaik sich einmal eine wohlverdiente Auszeit nehmen könnten. Sie brachten den beiden Champagner und kernlose Trauben, und machten sich an die Arbeit. Binnen weniger Stunden hatten sie die gesamte Verwandtschaft von Foto Woltaik aufs Süddach verfrachtet. Vollwärmeschutz und Foto Woltaik grinsten im Champagnerrausch um die Wette. Jetzt gab es nur noch das Problem mit den Bäumen.

Doch was war das? Vollwärmeschutz hörte ein nagendes Geräusch auf der Westseite des Hauses. Es wurde immer lauter, und als er um die Hausecke lugte, sah er ein ganzes Rudel Biber an den Stämmen der Trauerweiden nagen. „Das Teelicht schickt uns“, sagte der Anführer der Biber, ein haariger Kerl namens Malo-Malo. „Es sagte uns, ihr wäret die Einzigen gewesen, die jemals einen Kaffee bei ihm getrunken hätten. Wir sollen euch dafür danken und euch helfen, euer Haus wieder voll funktionsfähig zu machen.“

Vollwärmeschutz und Foto Woltaik lagen sich weinend in den Armen, während die Biber eine Trauerweide nach der anderen niedernagten. „Wer seid ihr?“ fragte Vollwärmeschutz Malo-Malo. Er legte Vollwärmeschutz seine feuchte Pfote auf die Schulter und sagte nur: „Wir sind die Zeugen Yamahas.“

Und so lebten sie glücklich und froh bis an ihr Lebensende.

 

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